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Die US-Zentralbank hat sich nach monatelangen aggressiven Interventionen aus dem Repo-Markt zurückgezogen. Ohne ihr Eingreifen wäre es vergangenen September zu einer neuen Finanzkrise gekommen. Die grundsätzlichen Probleme sind aber alles andere als gelöst.

Rund zehn Monate nach dem Beginn einer Serie aggressiver Interventionen auf dem US-Geldmarkt stellt die amerikanische Zentralbank Federal Reserve (genauer: die Filiale in New York, welche die Operationen durchgeführt hatte) ihre Aktivitäten ein. Wie die Financial Times berichtet, lief am vergangenen Dienstag die letzte Kreditvereinbarung (ein Repo-Kredit mit einer Laufzeit von 28 Tagen) im Umfang von 53,2 Milliarden Dollar aus – das Geld wurde der Fed vom Schuldner zurückgezahlt und verschwand dadurch aus dem System. Die Fed erhöhte im Zuge ihres Rückzugs zudem den auf ihre Ausleihungen berechneten Zins um 0,05 Prozent, wie der englischsprachige Dienst von Reuters berichtet.

Auf dem Repo-Geldmarkt können sich Marktteilnehmer Kredite mit kurzer Laufzeit (meist handelt es sich um einen oder 14 Tage) von der Zentralbank leihen, indem sie als Sicherheiten Wertpapiere wie beispielsweise US-Staatsanleihen bei der Notenbank hinterlegen. Der Geldmarkt besitzt für das Funktionieren des Bankensystems eine hohe Bedeutung, weil sich Banken gegenseitig rasch dringend benötigte Liquidität sprichwörtlich über Nacht beschaffen können.

Rückblick: Die Federal Reserve hatte am 17. September 2019 vollkommen überraschend und ohne die Angabe stichhaltiger Gründe massiv im Geldmarkt interveniert und bekanntgegeben, künftig regelmäßig zweistellige Milliarden-Summen zur Kreditvergabe bereitzustellen.

Eine solche Intervention – welche die Fed zuletzt während der Finanzkrise im Jahr 2009 für notwendig gehalten hatte – war im September von niemandem erwartet worden und galt als untrügliches Zeichen dafür, dass sich eine ernste Bankenkrise entwickelt. Denn in den Tagen vor dem 17. September war der durchschnittliche Repo-Zinssatz – zu dem Banken bereit sind, sich gegenseitig kurzfristig Geld zu leihen – rasch von rund 2 Prozent auf etwa 10 Prozent angestiegen und wich damit extrem von dem durch den Leitzins symbolisierten allgemeinen Zinsniveau auf dem amerikanischen Finanzmarkt ab. Banken, die über überschüssiges Kapital für mögliche Ausleihungen verfügten, verlangten also plötzlich eine weitaus höhere Risiko-Kompensation von den Schuldnern als noch wenige Tage zuvor, was Analysten als untrügliches Indiz für einen tiefgreifenden Vertrauensverlust zwischen den Geldhäusern werteten.

Wie gefährlich die schwelende Krise auf dem Interbankenmarkt war und wie massiv von der Fed Liquidität ins System gespült werden musste, um einen Kollaps zu verhindern, ist nicht nur an der langen Dauer des folgenden Notprogramms abzulesen, sondern auch an dessen Umfang. So wurden in den vergangenen zehn Monaten Kredite im Umfang von dutzenden Billionen Dollar angeboten und vergeben, der Repo-Zinssatz sank aufgrund der von der Fed ausgelösten Liquiditätsschwemme deutlich (derzeit liegt er bei rund 0,13 Prozent). Mitte März wurden während der umfangreichsten Vergaberunde an nur einem Tag beispielsweise fast 500 Milliarden Dollar an Repo-Krediten verliehen, berichtet die FT. Einem Bericht von Bloomberg von Mitte Februar zufolge hatte das kumulierte Gesamtvolumen zu diesem Zeitpunkt die Marke von 5 Billionen Dollar überschritten.

Was aber sind die Gründe dafür, dass sich die Situation auf dem Interbankenmarkt inzwischen merklich entspannt hat? In erster Linie die von der Zentralbank initiierte Liquiditätsschwemme selbst natürlich, welche das Zinsniveau massiv drückte und dadurch die Kreditklemme auf dem Markt beseitigte.

Mindestens ebenso wichtig dürfte aber der Umstand sein, dass die Fed aufgrund des aktuellen Wirtschaftseinbruchs praktisch alle ihr zur Verfügung stehenden Geldschleusen geöffnet hat, um das infolge der Corona-Pandemie zusätzlich geschwächte Finanzsystem zu stützen. Die Geldflut auf dem Repo-Markt wurde also durch eine noch viel größere Geldschwemme in allen anderen Bereichen abgelöst, welche sich in dem Anstieg der Bilanzsumme der Zentralbank auf über 7 Billionen Dollar manifestiert. „Die Repo-Aktivitäten der Fed wurden inzwischen durch die anderen Maßnahmen der Zentralbank in den Schatten gestellt, wozu beispielsweise die Wiederaufnahme von Anleihekäufen und die Lancierung mehrerer Notkreditprogramme für Firmenanleihen, öffentliche Schulden und andere Märkte gehörte“, schreibt die FT.

Am grundlegenden Problem hat sich indes nichts geändert. Solange Billionen an aus dem Nichts geschaffener Liquidität benötigt werden, um schwere Turbulenzen zu verhindern, ist das gegenwärtige Finanzsystem immanent instabil. Zuletzt hatten mit der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel und dem Internationalen Währungsfonds zwei Anker-Organisationen des Systems vor bevorstehenden Schuldenkrisen und Pleitewellen gewarnt.

In einer Ende Juni veröffentlichten Evaluation kommt auch der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board) zu dem Ergebnis, dass es auch Jahre nach der letzten Finanzkrise und entsprechender Bemühungen, die Stabilität von Großbanken zu verbessern, noch Lücken bei der Überwachung von systemrelevanten Großbanken gibt. So bestünden noch Hindernisse bei der Abwicklung von Instituten. Zudem hätten Aufsichtsbehörden, Unternehmen und Märkte zwar viel bessere Informationen als vor Umsetzung der Reformen, aber Berichterstattung und Offenlegung könnten noch verbessert werden. Zahlreiche Finanzinstitute seien so groß und rund um den Globus so sehr vernetzt, dass ihr Untergang weiterhin das gesamte Finanzsystem gefährden würde.

Dass die der Finanzkrise von 2008 zu Grund liegenden und mit den Anforderungen eines verzinsten Schuldgeldsystems zusammenhängenden Probleme nicht gelöst wurden, sondern eine erneute Krise nur mit noch mehr Schulden in die Zukunft verschoben wurde, lässt sich nicht zuletzt auch am enormem Zuwachs der Gesamtverschuldung weltweit ablesen – obwohl hier alle Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind, weil sie die meist im Verborgenen von Hedgefonds und Banken getätigten Derivategeschäfte in Billionenhöhe nicht erfassen. Einer Untersuchung des Institute of International Finance zufolge lagen die Verbindlichkeiten von Staaten, Unternehmen, Finanzakteuren und Haushalten im Herbst 2019 bei 253 Billionen Dollar beziehungsweise 322 Prozent der Weltwirtschaftsleistung – Ende 2007, kurz vor Beginn der letzten Krise, sollen es rund 140 Billionen gewesen sein.

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